FRANCOIS ROSSIER

2. September 2013 by in INTERVIEWS
Upcycling

Ein riesiger Schriftzug „UPCYCLING“ klebt am Fenster von François Rossiers Atelier in der Neuköllner Hobrechtstraße. „Seitdem ich das ans Fenster geklebt habe, kommen viel mehr Leute zu mir rein als früher. Vermutlich waren sich die Leute vorher unsicher, was ich hier tue.“ Der gebürtige Schweizer arbeitet als Filmschaffender als er vor einiger Zeit den Entschluss fasst, den hektischen Filmalltag hinter sich zu lassen. „Ich hatte das Verlangen, etwas mit meinen Händen zu schaffen, den Wunsch, nur auf mich angewiesen zu sein.“ Die Räumlichkeiten teilt sich François mit sechs anderen Kreativen. „Das klappt sehr gut. Wenn ich die Kreissäge auspacke, bittet man mich, in den Keller zu gehen, aber damit kann ich leben,“ sagt er schmunzelnd.

 

 

„In erster Linie mache ich das Upcycling für mich. Ich liebe den Moment, wenn die Dinge ihren ursprünglichen Sinn verlieren und etwas Neues aus Ihnen wird. Für mich hat das etwas sehr Philosophisches, das sich auch auf das menschliche Leben übertragen lässt. Alles befindet sich nur in einem momentanen Zustand. Dass ich den Zustand der Dinge beeinflussen kann, und ihnen einen neuen Sinn gebe, amüsiert mich. Gleichzeitig weiß ich, dass auch dieser Zustand nicht für die Ewigkeit ist,“ erklärt François. Er knipst für uns die Wandlampe an, die einmal ein Gulli-Sieb war. So simpel und schön. Keramik-Isolatoren, die in Nordkorea gefertigt wurden und auf einem Feld im Brandenburg lagen nachdem alte Strommasten abgebaut wurden, sind jetzt Teil einer Garderobe.

 

 

Seine Arbeitsmaterialien findet er meist auf dem Weg zur Arbeit. Alte Bretter, Möbel, Baustellenabfälle. Manchmal klingelt das Telefon und man bietet ihm Reste an. Zuletzt waren es 100kg Plexi-Glas. Das Material muss solide sein. Spanplatten lässt er liegen, wenn er Vollholz haben kann. Er hat den Anspruch, dass seine Möbel ihren Zweck erfüllen und stabil verarbeitet sind. Wenn man hingegen sieht, wo geschraubt oder geleimt wurde, ist das etwas, das gewollt ist. „Das ist ehrlich. Man sieht, was es einmal war und doch ist es jetzt etwas anderes. Eine faszinierende Vorstellung.“

 

 

Inmitten von unzählige Holzleisten, Türmen aus alten Schubladen, Plexiglasscheiben und Farbtöpfen steht ein alter Arbeitstisch aus dem Palast der Republik. An der Wand hängt eine Nachtfotografie von Beatrice Minda, an der Decke schwebt ein Metallobjekt, das einmal ein Fahrgestell für Eimer auf der Baustelle gewesen ist und nun ein Deckenleuchter werden soll. Die Frage, wie weit man sich vom Ist-Zustand entfernen darf, beschäftigt François oft lange. „Es soll seinen Charme behalten, aber gleichzeitig auch etwas sein, das man benutzen kann und sich gern ansieht. Das ist eine Gradwanderung.“ Auf die Frage hin, ob er sich als Designer bezeichnet, schüttelt er vehement den Kopf und sagt entschieden „Ich mache Kunst-Nutz-Objekte“. Häufig kommen auch Kunden mit Wünschen zu ihm. Gerade baut er ein Regal für ein Kinderzimmer. „Ich freue mich, dass ich immer mehr Zuspruch finde. Ich wünsche mir, dass ich jedem Kunden, dem ich ein Möbelstück verkaufe auch ein Stück weit ein Bewusstsein für die Vergänglichkeit der Dinge mit auf den Weg gebe.“