JOERG ASTHEIMER

24. Juli 2013 by in INTERVIEWS
Eames Chairs im Hof

Er gehört zur A-Prominenz der Vintage Möbel. Ob Hipster-Apartment, Architekturbüro oder Wartebereich beim Zahnarzt, man begegnet ihm ständig und jeder will ihn, diesen Eames Side Chair. Schöne Fiberglas-Schalen von Herman Miller auf neuer Base, das funktioniert immer. Warum eigentlich? Medienwissenschaftler Jörg Astheimer widmet sich in seiner Freizeit diesen Stühlen. Akribisch sucht er in den USA nach gut erhaltenen Schalen, zuhause wird geschraubt. Und das in wirklich idyllischer Umgebung: Auf Schloss Leonhardi bei Frankfurt. Wir nahmen im Schlosshof zwischen Traktoren und Kapelle Platz – natürlich auf  Fiberglas – und fragten ihn, was den Hype ausmacht.

 

 

Du bist Medienwissenschaftler- scheinbar einer mit handwerklicher Begabung und Hang zur Ästhetik. Wie kamen Du und die Stühle zusammen?

Ich sitze einfach gerne, wie man sieht. Im Ernst: Die Liaison hat ihre Vorgeschichte. Als unermüdlicher Forscher tummelte ich mich die letzten Jahre im Internet, um zu analysieren, wozu die Menschen das Netz gebrauchen. Der Kopf rauchte, aber meine Hände kamen zu kurz. Ich war ngetan von den Visionen des Do-It-Yourself (D.I.Y.), suchte nach einer handwerklichen Betätigung und stieß auf die Fiberglas Stühle von Ray und Charles Eames – es kam wie es kommen musste: Es war Liebe auf den ersten Blick.

 

Natürlich gibt es einen Gegentrend, aber junge Besserverdiener schreien seit einigen Jahren nach Eames Side Chairs. Was macht diesen Stuhl aus?

Seine Form und die wunderschöne Fiberglas-Struktur. Ray und Charles Eames haben 1949 eine Gestalt geschaffen, die bis heute gleich geblieben ist. Das humorvolle Designer-Ehepaar folgte einer Ausschreibung des MoMA, günstige Möbel für den Massenmarkt herzustellen. Ihr visionärer Entwurf wurde mit einem der ersten Preise ausgezeichnet – zurecht. Im englischen Sprachraum bezeichnet man den Stuhl auch als ‚iconic chair‘  – eine moderne Ikone also. Das ist die eine Seite – seine Kontinuität.

 

Und die andere?

Außerdem gleicht der Stuhl einem Chamäleon. Man stößt auf ihn einfarbig und aufeinander gestapelt in schnöden Mehrzweckhallen oder mit einem La-Fonda-Base bestückt in einer Bar. Und auch in den eigenen vier Wänden findet er seinen Platz. Der Punkt ist: Der Stuhl überdauert nicht die Zeit wie andere Vintage-Möbel, sondern jede Zeit erfindet ihn neu. Woran das liegt? Ich kann nur spekulieren. Der Eames Side Chair erlaubt aufgrund der vielen Farben – es sind mehr als zwei Dutzend – und Bases, dass die Menschen ihn so einsetzen können, wie sie es jetzt möchten. Und das Beste: Man kann also einen ‚Klassiker‘ kaufen, diesen aber sehr individuell zum Einsatz bringen. Jede Zeit schafft sich so ihren ‚Eames‘.

 

Wie kann man sich Deinen Arbeitsprozess — bis hin zum fertigen Stuhl — vorstellen?

Der Stuhl besteht ja aus einer Fiberglas-Schale und einem Gestell. Ich suche Schalen in Farben aus, die sich gut miteinander verstehen. Die Fiberglas Shells wurden früher in Standard- und Spezialfarben (‚Contract‘) produziert. Zuerst muss sich der Schmutz verabschieden und je nach Zustand versehe ich die Shells mit neuen Gummi-Halterungen (‚Shockmounts‘) für die Gestelle, sonst gehen Schale und Gestell bald getrennte Wege. Kleine Macken werden ausgebessert. Durch das anschließende Polieren erhält das Fiberglas neuen Glanz. Nun fehlen nur noch die Füße. Dazu werden passende Gestelle ausgesucht und montiert, wobei ich am liebsten Dowel Bases aus Walnuß, Eiffel Bases oder schwarze H-Bases verwende. Wie man sich vorstellen kann, ist das Ganze kein Hexenwerk.

 

Welche Reaktionen erfährst Du auf Dein Hobby, hier, in dieser eher ländlichen Atmosphäre?

Handwerk steht in unserem Schlosshof hoch im Kurs: Im Hauptgebäude sind fleißige Restaurateure zugange, in der Schmiede unter mir wird Bronze gegossen. In einer alten Scheune bearbeiten meine Nachbarn Holz, Stuck oder Stein. Romantisch, oder? Was ich sagen will: Ich bin von Handwerkern und ‚Bastlern‘ umzingelt, die mir eine sehr große Hilfe sind. Sie schätzen mein Hobby, jedoch hat sich noch keiner der Stühle in ihre vier Wände verirrt. Ich sag es Mal anschaulich. Fiberglas kommt hier auf dem Hof nur in der Landwirtschaft zum Einsatz. Nicht lachen: beim Düngewagen. Aber dessen Farbe kommt einem sehr bekannt vor. Parchment – so wie man es von vielen alten Eames Armchairs kennt. Ob beides zusammen passt wird sich nie klären. Die Stühle haben den Wagen jedenfalls überdauert, der letzte Woche altersbedingt seinen Dienst quittieren musste.

 

Lieber Jörg, wir danken Dir für die Gastfreundschaft. Auf bald!

 
5 Comments
  • Marcus
    16. August 2013

    Sehr geehrter Herr Astheimer,

    ich teile ihre Eames-Leidenschaft und habe mir Schalen aus den USA bestellt. Zwei davon sind leider schon etwas matt. Kennen Sie eine Politur oder einen anderen Trick, um die Schalen zum Glänzen zu bringen? Mit freundlichen Grüßen aus Wien.

  • Jörg
    22. August 2013

    Hallo Marcus,

    ein bekanntes Problem. Um die Farbe vom Fiberglas wieder hervorzuholen und es glänzen zu lassen, gibt es ein einfaches Hilfsmittel für den Hausgebrauch, das Dir sicher weiterhelfen wird. Es nennt sich 'Polytrol', wird von der Firma Owatrol hergestellt und ist für Fiberglas geeignet. Mit Lappen 1-2 Mal auftragen. Das bringt den Schalen neue Farbe. Viele Grüße, Jörg

  • Marcus
    7. September 2013

    Herzlichen Dank aus Wien für die Antwort. Werde das Mittel sofort ausprobieren und berichten.
    Liebe Grüße, Marcus.

  • Alain
    6. Oktober 2013

    Guten Tag, ich habe auf einer Stuhlschale dort wo man aufsitzt einen gleichmässigen milchigen Kreis. Dies finde ich unschön, gibt es da eine Lösung ?

  • Jörg
    7. Oktober 2013

    Vielleicht kann man dem milchigen Kreis zu Leibe rücken und ihn entfernen. Am besten Foto an Vintagency und ich werf einen Blick drauf. Grüße, Jörg